Günter Grass: Was gesagt werden muss – oder besser nicht

Kalkulierte Provokation ist für den Literaturnobelpreisträger nichts Ungewöhnliches. Mit dem Ausmaß des aktuell über ihm einbrechenden Sturmes der Entrüstung hat er aber vermutlich eher nicht gerechnet. Ein israelkritisches Gedicht hatte er veröffentlicht und damit jede Menge laut polternde Kritik ausgelöst. Und nach Jerusalem darf er jetzt auch nicht mehr reisen.

Die Aufregung ist arg groß für ein Gedicht, das sich in literarischer Hinsicht problemlos ignorieren lässt. „Was gesagt werden muss“ hat Günter Grass es genannt, und inzwischen ist er vermutlich der Auffassung, Schweigen wäre die bessere Wahl gewesen. Öffentlich hingegen bekundet er, kein Wort zurücknehmen zu wollen und sieht sich einer unerhörten Hetzkampagne ausgesetzt.

Das mag er so empfinden, denn von Autorenkollegen über das Feuilleton bis zur deutschen Politik dreschen alle ausgiebig auf den Autor der „Blechtrommel“ ein. Dass man ihn – aus seiner Sicht fälschlicherweise – des Antisemitismus beschuldigen würde, hatte er bereits im Gedicht selber vorweg genommen. Dass dieser Vorwurf ziemlicher Unsinn ist, sehen zumindest die gemäßigten Kritiker auch so.

Erstaunlicherweise schlagen sich gerade die Organisatoren der Ostermärsche auf die Seite des Autors und wollen das Einreiseverbot, das die israelische Regierung Grass als Reaktion erteilt hat, nicht gutheißen. Auf der anderen Seite steht unter anderem Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld, die gar eine Parallele zwischen dem Gedicht und einer Drohrede Hitlers aus dem Jahr 1939 sieht.

Die Wogen werden sich auch wieder glätten, doch ganz wird Grass aus dieser Nummer wohl nicht mehr herauskommen. Marcel Reich-Ranicki weist auf das Kalkül des Veröffentlichungsdatums hin, das ausgerechnet kurz vor dem Pessach-Fest lag, und damit den Ärger bewusst provozierte. Dass der Autor zudem bis vor Kurzem über seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS geschwiegen hatte, macht es seinen Gegnern nun umso leichter.

Erstmals veröffentlicht wurde „Was gesagt werden muss“ in der Süddeutschen Zeitung und kann in der Online-Ausgabe weiterhin im Wortlaut nachgelesen werden.Similar Posts:

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