Forscher arbeiten an Pille gegen die Pölsterchen

Berlin – Es klingt zu schön um wahr zu sein, was Forscher aus Singapur kürzlich berichteten: Mit einem Pflaster hatten sie Mäusen einen Wirkstoff über die Haut verabreicht, der diese trotz fettreicher Nahrung nicht dick werden und überdies ihre Fettmasse schrumpfen ließ.

Der Wirkstoff verwandelte das so genannte weiße Fett, das Energie speichert, in braunes Fett, eine Art Heizgewebe, das Energie verbrennt. Hat die Wissenschaft damit ein Mittel zur Bekämpfung der weltweiten Adipositas-Epidemie gefunden?

Ganz so weit ist es noch nicht. Aber die Idee der Fettumwandlung wird von vielen Experten als vielversprechend beschrieben. Und eine wirksame Strategie gegen die zunehmende Fettleibigkeit wird angesichts der möglichen Folgen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs händeringend gesucht. «Dass es derzeit noch kein pharmakologisches Mittel gibt, ist eine wirklich unbefriedigende Situation. Wir brauchen das dringend», sagt Alexander Pfeifer, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Bonn. «Aber das Feld ist in Bewegung, da wird sich was tun.»

Die Fettzellen werden seit geraumer Zeit schon als möglicher Ansatzpunkt für eine Pharmakotherapie erforscht. Neben den bereits erwähnten weißen und braunen Fettzellen, gibt es im menschlichen Körper beige Fettzellen, die aus weißen heraus gebildet werden und genau wie die braunen Energie verbrennen. Gelänge es nun, das braune Fett pharmakologisch zu aktivieren oder die Umwandlung von weißen in beige Fettzellen zu stimulieren, hätte man womöglich ein Medikament zur Bekämpfung von Übergewicht in der Hand – so die Idee.

Dass die alles andere als abwegig ist, meint auch Tobias Fromme vom Lehrstuhl für Molekulare Ernährungsmedizin an der TU München: «In kleinen Säugetieren klappt das schon ganz gut». Er und sein Team fanden kürzlich, dass die Menge an braunem Fett bei Erwachsenen etwa dreimal so groß ist wie bisher angenommen. Dies habe auch das Interesse der Pharmaindustrie an pharmakologischen Fettverbrennern neu entfacht, sagt Fromme.

Tatsächlich kennen Experten mittlerweile zahlreiche Botenstoffe, die die Aktivität und Umwandlung von Fettzellen begünstigen. Dazu gehören unter anderem Katecholamine wie Adrenalin und Noradrenalin, Hormone wie Östrogen, Testosteron und Progesteron oder Wachstumsfaktoren, wie Forscher um Marcel Scheideler vom Institute for Diabetes and Cancer am Helmholtz Zentrum München kürzlich in einem Übersichtsartikel zusammenfassten.

Viele der bisherigen Ergebnisse wurden in Experimenten mit Tieren oder tierischen Zellen gewonnen. Scheideler und seine Mitarbeiter zeigten kürzlich, wie sich – zumindest experimentell – auch menschliche weiße Fettzellen zu braunen umpolen lassen. «Etwa zehn Prozent menschlicher Fettzellen werden im Jahr «renoviert», das heißt durch neue Fettzellen ersetzt», erläutert Scheideler. «Möglicherweise besteht hier die Möglichkeit, durch Umpolung der Fettvorläuferzellen eine schonende Rekrutierung brauner Fettzellen im weißen Fettgewebe zu erzielen.» Für die körpereigene Wirksubstanz, die MicroRNA-26, sei in den USA und der EU bereits das Patent erteilt.

Die Verabreichung eines Wirkstoffes über ein
Pflaster – wie in der Studie der Forscher aus Singapur – hätte dabei den Vorteil, dass das Medikament direkt an den Problemzonen angewendet werden kann. Nebenwirkungen könnten so verhindert oder zumindest reduziert werden. «Die Menge an Wirkstoff in unserem Pflaster ist weitaus geringer als bei einer oralen Gabe oder einer Injektion», erläutert Xu Chenjie von der Nanyang Technological University. «Das verringert die Kosten, und die langsame Abgabe minimiert Nebenwirkungen.»

Bisher allerdings gibt es für den Menschen noch kein Pflaster und keine Pille, die die Fettpolster schmelzen lässt. Die Forschung in diesem Bereich stecke in den Kinderschuhen, heißt es auch in der Übersichtsarbeit des Teams um Scheideler.

Wer weder Sport noch eine Diät machen möchte, hat theoretisch noch eine weitere Option zum Abnehmen. Die Aktivität der braunen Fettzellen lässt sich auch mit einer Kälte-Kur ankurbeln. «Zumindest bis wir anfangen zu zittern, erzeugt unser Körper bei Kälte die nötige Wärme allein, indem er braunes Fett aktiviert», erläutert Fromme. Menschen, die sich regelmäßig der Kälte aussetzen, dürften langfristig ein paar Pfunde verlieren.

Ein praktikabler Weg ist das allerdings vermutlich für die Wenigsten. «Meiner Ansicht nach ist es vielversprechend und vor allem sinnvoll, nach pharmakologischen Mitteln für die Adipositas-Bekämpfung zu suchen. Wenn es scheitert, dann scheitert es an den Nebenwirkungen», sagt Fromme. «Die Idee selber, an diesen Mechanismen anzugreifen, ist hochplausibel.»

Fotocredits: Frank Leonhardt
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