Rap in Deutschland: Alles Kultur !?

Ein aus den USA importiertes Musikphänomen hat sich seit gut 10 Jahren auch in Deutschland etabliert. (20 Jahre, je nachdem, wie man „etablieren“ definiert) Klar, jeder kennt 50 Cent und mit ein bisschen Nachdenken auch Azad (Prison Break Song) – aber wer praktiziert / hört hierzulande eigentlich ernsthaft deutschen Rap?

Verwöhnte Kids – Niemand! – verwöhnte Kids – Die Unterschicht! – verwöhnte … : HipHop/Rap als Sprachrohr der Unterdrückten und vom Staat Verlassenen, und als Mittel der Mittelstandskids, gegen die spießigen Eltern zu rebellieren – diese Formen gibt es in den USA und die gibt es auch hier.

Die Musikrichtung „deutscher Rap“ auf diese zwei Klischees zu reduzieren, ist einfach, aber… blöd.

Um deutschen Rap ein wenig einzugrenzen, hilft es vielleicht, beim wichtigsten Unterschied zum übermächtigen Amerika anzufangen:

In Deutschland lässt sich mit Rapmusik nicht wirklich Geld machen. Der „Hype“ (relativ gesehen, wirklich viel war da auch nicht los) um die Jahrtausendwende ist abgeflaut, nur noch wenige Rapper haben einen Deal bei einem Majorlabel. Das bedeutet, dass viele Leute/Künstler/Bands/Gruppen/Labels neu anfangen, aber nur wenige konstant dabeibleiben.

Gleichzeitig gibt es aber auch kein oder wenig übergreifendes „Culture“-Feeling wie beispielsweise in der Jazzmusik (oder unserem geilen Blog! 🙂 ), seit einer Weile geht es zunehmend darum, welcher Künstler bei Erscheinen mit seiner Platte die höchsten Verkaufszahlen erzielt. Diese Haltung mutet ob der Situation des deutschen Marktes für Rapmusik etwas absurd an und ist meiner Meinung nach aus den USA importiert worden.

Eine weitere Eigenart von Rapmusik kommt von den Fans: Die Zielgruppe gehört wohl zu den schwankensten überhaupt. Beim ersten Album noch auf Händen getragen, wird der Rapper sich bei der kleinsten Änderung seines Stils oder seiner Texte vorwerfen lassen müssen, er habe sich verraten oder verkauft. Diese generelle Besonderheit von Rap wird in Deutschland noch etwas verschärft: Da die meisten Hörer/Rapper nur halb so hart-krass-ghetto sind wie sie sich geben, erscheinen alle Reflexe bezüglich der Echtheit der Interpreten übersteigert und verschärft.

„Ghetto“ ist ein gutes Stichwort: Seit dem bahnbrechenden Erfolg von Bushido und Sidos erster Platte sind „der Block“, „der Schlagring“ und „der Drogenticker“ aus vielen Texten nicht mehr wegzudenken – auch wenn der Interpret in Stuttgart sitzt und von „Ghetto“ redet, weil er sich keinen Mercedes leisten kann. Selbst die härtesten „Ghetto-Rapper“ aus Berlin würden staunen, wie schön ihre Heimat doch ist, würden sie einen Ausflug Richtung Nairobi, London oder New York unternehmen.

Auch der „Flow“ ist oft 1:1 von amerikanischen Vorbildern inspiriert. Das wird dann etwas peinlich, wenn die komplette Zeile deutsch ist, das Schlusswort aber amerikanisch, weil sich sonst die Reimstruktur nicht mehr durchhalten lässt – ein Linguist hätte seine helle Freude an diesem Zwangs-Amerikanisieren der deutschen Sprache.

Rap in Deutschland hat ein generelles Problem: Ob die Gier nach Verkaufszahlen, das Beweinen einer „Culture“ / der „Realness“ oder die Orientierung am „Ghetto“ – meistens muss sich der Rapper an Normen messen, die sowohl er/sie selbst als auch sein Publikum aus den USA geborgt haben, die aber für Deutschland mehr schlecht als recht zutreffen. Deswegen ist deutscher Rap ein schizoider Opa auf drei Beinen, dessen Tentakel panisch in den Himmel langen, um etwas Originelles zu finden.

Trotzdem gibt/gab/wird es immer guten deutschen Rap geben. Wenn man die Voraussetzungen kennt und sich ein bisschen umsieht, findet man sehr coole Musik.Similar Posts:

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