Wie belastend darf die Ausbildung sein?

Leipzig – Von der Kauffrau zum Mechaniker, im Einzelhandel oder auf der Baustelle: Keine Ausbildung gleicht der anderen. Die Belastungen, die auf angehende Azubis zukommen, sind ganz unterschiedlich. Und jede kann eine Überlastung werden.

Jeder dritte Azubi hat gesundheitliche Beschwerden

Wie groß das Problem ist, zeigt der
Fehlzeiten-Report der AOK von 2015, für den die Krankenkasse den Gesundheitszustand von Azubis untersucht hatte: Jeder Dritte (33 Prozent) hat demnach häufig oder sogar immer gesundheitliche Beschwerden, Frauen deutlich häufiger als Männer. Häufigstes Symptom sind Müdigkeit und Erschöpfung, gefolgt von Kopf- und Rückenschmerzen und Verspannungen.

Mancher Lehrling hört da vielleicht den Satz: «Du bist doch jung, du hältst das aus.» Doch das Gegenteil ist der Fall, sagt Manuel Michniok, Ausbildungsexperte der Gewerkschaft IG Metall. Junge Leute brauchen sogar besonderen Schutz – weil sie im wörtlichen wie im übertragenen Sinne noch wachsen müssen. «Wenn es in dieser Phase zu einem gesundheitlichen Schaden kommt, hat das eventuell Auswirkungen auf das ganze weitere Leben und die ganze berufliche Laufbahn.»

Arbeitsschutzgesetz soll Überlastung verhindern

Die Vorschriften zum Arbeitsschutz gelten natürlich auch für Azubis. Für Minderjährige gibt es zudem das Jugendarbeitsschutzgesetz, das Lehrlinge unter 18 Jahren einschließt. «Das regelt ausdrücklich, dass Jugendliche keine Arbeit machen dürfen, die ihre physischen oder psychischen Fähigkeiten übersteigt», erklärt Michniok.

Die physischen und psychischen Anforderungen der Ausbildung müssen immer zu den individuellen Fähigkeiten passen, ergänzt er. Argumente wie «Der Azubi muss hier immer die 30-Kilo-Säcke schleppen» zählen also nicht – wenn das jemand nicht schafft, muss er es nicht machen.

Arbeitsbelastung trifft Azubis unvorbereitet

Schließlich ist die Ausbildung an sich schon Stress genug – der die Lehrlinge völlig unvorbereitet trifft. «Die Azubis haben oft gar keine Vorstellungen davon, was in der Arbeitswelt auf sie zukommt – was da gefordert wird und wie sich das anfühlt», sagt Ingo Weinreich vom Beratungsunternehmen IfG (Institut für Gesundheit und Management).

Das IfG bietet in Unternehmen Kurse oder Workshops zum Thema Fitness und Gesundheit für Azubis an. Wer körperlich arbeitet, lernt dort zum Beispiel etwas über ergonomisch korrektes Heben, Büro-Azubis beschäftigen sich mit Konfliktmanagement oder Medienkompetenz.

Hohe Leistungsbereitschaft

Alltagsfragen spielen ebenfalls eine Rolle: Wie man sich richtig erholt, wissen viele Azubis zum Beispiel schlicht nicht – weil sie es noch nie mussten. Auch das Thema gesunder Lebensstil gehört dazu, erzählt der Experte. «Es gibt häufig Nachholbedarf in den alltagsbezogenen Grundlagenkompetenzen. Das geht bis zum Einkaufen oder Kochen.»

Das passt zur oft gehörten Klage aus der Wirtschaft, dass es heutigen Azubis an Reife fehle. Doch da will Weinreich nicht mit einstimmen. Er erlebt in der Beratungspraxis eher, dass es bei Azubis eine hohe Leistungsbereitschaft gibt, «wenn die Vorzeichen stimmen».

Überlastungssituation ansprechen

Doch was, wenn das eigene Ausbildungsunternehmen von sich aus so gar nicht an die Azubi-Gesundheit denkt? Überlastung macht sich auf verschiedenen Wegen bemerkbar, erklärt Manuel Michniok. Das können Rückenschmerzen sein, extreme Müdigkeit, Niedergeschlagenheit. Erster Ansprechpartner sei dann der Ausbilder, danach kommen – falls vorhanden – die Auszubildenden-Vertretung oder der Betriebsrat.

Die gute Nachricht: Den Rauswurf müssen Azubis, die wegen Überlastung um Hilfe rufen, nicht fürchten. «Und nur weil man aus gesundheitlichen Gründen an einem bestimmten Platz nicht arbeiten kann, heißt das ja nicht, dass man gleich die ganze Ausbildung abbrechen muss», sagt Michniok.

Fotocredits: Oliver Berg
(dpa/tmn)Similar Posts:

(dpa)