Unfall beim Hallenklettern: Wer haftet?

München – Deutlich mehr als eine halbe Million Menschen in

Deutschland klettern – die allermeisten davon in einer Halle. Rund

500 solcher Sportstätten mit den bunten Griffen und Tritten sind in

den vergangenen knapp 30 Jahren quer durch die Republik entstanden.

Zwar ist Hallenklettern eine vergleichsweise risikoarme Sportart,

doch sind allein durch die rasante Zunahme der Ausübenden auch die

Unfallzahlen gestiegen. Das merken inzwischen auch die Gerichte, denn

schnell steht dann die Frage im Raum: Wer ist schuld – und wer zahlt?

«Das ist grundsätzlich wie in anderen Lebensbereichen auch: Die

Freudigkeit, solche Sachen gerichtlich nachzuverfolgen, hat

zugenommen», erläutert der Bergführer und Rechtsanwalt Stefan Beulke.

Gerade Menschen, die Klettern vorrangig als hippe

Freizeitbeschäftigung wahrnehmen, wären oft regelrecht perplex, dass

man sich bei einem Sturz auch verletzen könne.

Klettern auf eigene Gefahr?

«Wenn wir in die freie Natur gehen, ist es für uns völlig klar: Es

ist Klettern auf eigene Gefahr», sagte Christoph Ebert, Leitender

Oberstaatsanwalt in Memmingen und Mitglied in der Dachkommission

Recht im Deutschen Alpenverein (DAV), auf einer Juristentagung des

Bayerischen Kuratoriums für
alpine Sicherheit in München. Ein nach

alter Tradition sozialisierter Kletterer wäre kaum jemals auf die

Idee gekommen, seinen Seilpartner zu verklagen – doch in der Halle

sieht das oftmals anders aus: «Unglück und Not werden heute nicht

mehr als Schicksal hingenommen. Es herrscht die Vorstellung, es müsse

für jedes Missgeschick einen Verantwortlichen geben», erläutert

Ebert.

Gerne wird dann auf eine vermeintliche Haftung durch den

Hallenbetreiber geschielt. Doch der hat juristisch betrachtet nur die

Pflicht, eine vernünftige Kletterwand samt Sicherungspunkten zur

Verfügung zu stellen und die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen

zu treffen, um eine Schädigung der Besucher zu verhindern. «Er muss

aber nicht wie ein Adler durch den Raum schauen, ob da auch sauber

geklettert wird und die Sicherungsgeräte richtig benutzt werden»,

betont Ebert.

Hallenbetreiber meistens nicht haftbar

Letztlich ist es wie im Schwimmbad: Dort darf auch jeder Eintritt

zahlen und reingehen, ob er schwimmen kann oder nicht. Solange der

Hallenbetreiber also alles beachtet, beispielsweise die

Sicherungspunkte und Griffe regelmäßig wartet, ist er im Falle eines

Falles nicht in der Haftung. In Bayern etwa, wo Schätzungen zufolge

rund ein Drittel aller Kletterer in Deutschland lebt, gab es erst

einen einzigen Unfall, bei dem dem Hallenbetreiber eine Schuld

nachgewiesen werden konnte.

Fahrlässiger Seilpartner

Kann ein Kletterer dann seinen Seilpartner verklagen, nach dem Motto:

Du hättest mich doch halten müssen! Die Chance, das Gerichte das so

sehen, ist durchaus gegeben. «Seilkletterer haften in der Regel für

leichte Fahrlässigkeit», betont Ursula Gernbeck von der

Staatsanwaltschaft München I.

Zwar seien die Voraussetzungen dafür im Gesetz recht schwammig

formuliert – für die «im Verkehr erforderliche Sorgfalt» seien die

«anerkannten Regeln der jeweiligen Sportart» ausschlaggebend,

sagt Gernbeck. Doch beim Hallenklettern gibt es kein modifiziertes

Regelwerk. «Allein dass der DAV irgendwo eine Sicherheitsmeinung

publiziert hat, ist nicht ausreichend. Sondern entscheidend ist, ob

es sich zu einer Verkehrsnorm verdichtet hat, ob es wirklich

praktiziert wird.»

Aus dieser Argumentation heraus ist es Urteilen zufolge

beispielsweise fahrlässig, das Seilende nicht zu sichern, um ein

Durchrutschen zu verhindern. Auch der Partnercheck, bei dem beide

Kletterer gegenseitig überprüfen, ob der Gurt geschlossen und das

Seil richtig eingebunden ist, gilt als Standard. Ebenso muss der

Kletternde alle Sicherungspunkte einhängen.

Was jedoch völlig irrelevant ist: Ob jemand das Klettern oder das

Sichern formal in einem Kurs gelernt hat. «Auch Selbstbeibringen ist

okay», betont Gernbeck. «Die Frage ist nur, ob man es richtig macht.»

Fotocredits: arifoto UG
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