Getrennt oder zusammen? Einschulung von Zwillingen

Berlin (dpa/tmn) – Auf Zwillingseltern wartet mit der Einschulung ihrer Sprösslinge die doppelte Herausforderung: Dann geht es nicht nur um den doppelten Schulranzenkauf, das doppelte Heftebesorgen und das doppelte Hausaufgabenbetreuen.

Zunächst einmal steht die Grundsatzentscheidung an: getrennt einschulen oder gemeinsam?
Mehrlingseltern machen sich die Wahl nicht einfach. Für Karolin Ziegler, Zwillingsmama der beiden achtjährigen Jungs Ben und Eli, stand die Entscheidung vor zwei Jahren an. Mittlerweile sind ihre Jungs in der zweiten Klasse – gemeinsam: «Wir bereuen es nicht, denn die beiden brauchen sich einfach», sagt Ziegler, die selbst Rektorin in einer Grundschule in Baden-Württemberg ist. «Eine allgemeingültige Antwort zu geben, ist mir und meinen Schulleiterkollegen nicht möglich», betont sie allerdings. Jedes Zwillingspaar, jede Familie bringt eine eigene Geschichte mit, die es zu berücksichtigen gilt. Ziegler empfiehlt, Erzieher und gegebenenfalls auch die Kinderärzte bei der Entscheidung mit ins Boot zu nehmen.

Auch Psychologe Bodo Reuser von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) hat keine Pauschalantwort parat. Wichtig sei: «Sich nicht verleiten lassen von der Besonderheit des Zwillings.» Wenn Eltern der Besonderheit des Mehrlingstatus viel Raum gäben, sei dies schon das erste Problem.

«Meine Erfahrung als Kinder- und Jugendlichen-Psychologe zeigt, dass wir die Besonderheit erst schaffen, indem wir darauf eingehen», sagt er. So sei es zum Beispiel nicht besonders hilfreich für die Persönlichkeitsentfaltung des einzelnen Zwillings, die Geschwister gleich anzuziehen. Stattdessen muss bei Zwillingen wie bei sämtlichen anderen Geschwisterkindern individuell und vorurteilsfrei geguckt werden: Was braucht wer? Schulpsychologe Klaus Seifried vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) sieht das ähnlich, tendiert aber dennoch zur pauschalen Lösung «getrennte Klassen». «Es gibt die Grundregel, dass man Zwillingen die Möglichkeit geben soll, eine eigene Identität zu entwickeln», argumentiert er. Dazu gehören für ihn verschiedene Klassen.

Reuser empfiehlt auch, darauf zu schauen, wie die Umwelt auf die Zwillinge reagiert: «Sind die Lehrer souverän im Umgang oder verfallen sie in die klassische Zwilling-Denke mit allen Folgen?» Wenn der Lehrer bereits im Vorfeld sagt, dass er sich im Umgang mit Zwillingen schwertut – eineiige Zwillinge gar verwechselt – ist das ebenfalls ein Argument für getrennte Klassen.

Darüber hinaus spielen auch ganz pragmatische Gründe eine Rolle. Zwei Klassen bedeuten auch zwei Elternabende, zwei Schullandheime, zwei Klausurenpläne, zwei verschiedene Hausaufgaben. «Wenn Eltern das stresst, ist das ein Argument für eine gemeinsame Klasse – wenn auch nicht das entscheidende», betont Reuser.

Einen hohen Stellenwert hat nach Reusers Ansicht auch die individuelle Haltung der Kinder. «Die haben ihre berechtigten Gründe, wenn sie auf die eine oder andere Idee kommen», sagt er. Wenn Zwillinge im Kindergarten schlechte Erfahrungen mit dem Zwillingsstatus gemacht hätten, könnten von nun an getrennte Klassen eine gute Idee sein.

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(dpa)