Kain: Letzter Roman von José Saramago

Der portugiesische Nobelpreisträger José Saramago legte sich immer gerne mit allem und jedem an. 2009 scheute er sich nicht, den italienischen Ministerpräsidenten öffentlich als „Verbrecher“ zu beschimpfen. Zu seinen Lieblingsfeinden gehörte aber auch immer die Amtskirche, die eines seiner Bücher offiziell als Blasphemie abstempelte. Am 16. August erscheint in Deutschland mit „Kain“ nun sein letztes Werk. Diesmal schrieb er gleich mal das Alte Testament um.

Sein bekanntestes Buch ist bis heute „Die Stadt der Blinden“, dessen Popularität nicht zuletzt durch die Verfilmung von Fernando Meirelles noch einmal einen willkommenen Anschub erhielt. Die wenig optimistische Zukunftsvision ließ wenig Zweifel daran, dass José Saramago der menschlichen Moral keine Chance gibt, sobald die Systeme kollabieren. Sein letztes Werk sieht das nicht wesentlich anders.

In „Kain“ geht der Blick zurück auf die Anfänge der Menschheit, wie sie das Alte Testament beschreibt. Die biblische Hauptfigur muss für den Brudermord büßen und wandelt fortan als Untoter durch die Geschichte. Was er sieht, entsetzt ihn, denn aus der Sicht des Autors ist die Bibel ein „Katalog der Grausamkeiten“. Doch Kain ist nicht nur Beobachter, sondern greift auch ins Geschehen ein und verhindert zum Beispiel die Ermordung Issaks.

Das ist natürlich bewusste Provokation, und in seinem Heimatland ging der Plan auch perfekt auf. Noch vor der Veröffentlichung gab es Protestdemonstrationen, öffentliche Statements von bekannten Gesichtern aus Kultur und Politik, und sogar die Aufforderung, der Schriftsteller solle die Staatsbürgerschaft abgeben – und das, obwohl er bereits seit Jahren außerhalb der Landesgrenzen lebte.

Hierzulande werden sich die Reaktionen in Grenzen halten. Denn abseits der bisweilen arg forcierte Kirchenkritik lässt sich „Kain“ vor allem als ironisches Experiment lesen, das sich einen Spaß daraus macht, die einzelnen biblischen Episoden ausgiebig gegen den Strich zu bürsten.

***

José Saramago: Kain
176 Seiten, gebunden, EUR 19,99
Verlag Hoffmann und Campe
ISBN 978-3-455-40295-7Similar Posts:

Werbung