Aus dem Nachlass von Roberto Balano: Das Dritte Reich

Es ist noch gar nicht so lange her, da sorgte die deutsche Übersetzung von „2666“ im Feuilleton für hymnische Begeisterungsstürme. Kein Wunder, denn das Mammutwerk des früh verstorbenen Schriftstellers Roberto Balano gehört für viele zu den wichtigsten Romanen der Gegenwart. Jetzt erscheint mit „Das Dritte Reich“ posthum ein weiteres Buch des Chilenen.

Ob Roberto Balano wirklich eine Veröffentlichung dieses Romans gewollt hätte, darüber lässt sich ausgiebig streiten. Das Frühwerk existierte im Nachlass lediglich in einer Schreibmaschinenfassung und war sogar zunächst übersehen worden. Jetzt erscheint es in Deutschland sogar noch vor der amerikanischen Ausgabe.

Auch wenn man angesichts des Titels einen Roman über Nazi-Deutschland erwarten würde, spielt die Geschichte doch in den 1980er Jahren. „Das Dritte Reich“ ist der Name eines strategischen Brettspiels, das den Zweiten Weltkrieg simuliert und erlaubt, dessen Verlauf zu ändern. Der Stuttgarter Spanienurlauber Udo Berger spielt es an der Costa Brava mit einem angeblich durch Folter entstellten Lateinamerikaner, der überall nur als „Der Verbrannte“ bekannt ist. Doch hinter dem Spiel der beiden verbirgt sich etwas Unheimliches, und gegen Ende scheint der Deutsche einem gewaltsamen Tod entgegenzusehen.

Wer in Genre-Kategorien denken will, sollte am ehesten einen Mystery-Roman erwarten, doch „Das Dritte Reich“ ist mehr als das. Schuld und Verdrängung, die Macht des Bösen im Banalen, die Rolle der Kunst im Angesicht des Grauens – die Geschichte selber ist nur Anlass für tiefergehende Überlegungen. In einer Art fiktivem Handbuch mit dem Titel „Die Naziliteratur in Amerika“ hatte sich Balano übrigens bereits schon einmal mit dem NS-Regime auseinandergesetzt, wenn auch in der für ihn typischen ironischen Weise.

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Roberto Balano: Das Dritte Reich
Hanser Verlag, 320 Seiten
ISBN 978-3-446-23610-3Similar Posts:

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