Was tun, wenn Kinder lispeln?

Bad Rappenau – Wenn kleine Kinder lispeln, finden das viele Erwachsene erst einmal niedlich. Und tatsächlich ist das falsch artikulierte «S» zunächst kein Grund zur Sorge.

«In den ersten drei bis vier Lebensjahren tun sich viele Kinder schwer damit, die S-, Sch- und Z-Laute richtig zu bilden», sagt Prof. Annerose Keilmann, Chefärztin am Stimmheilzentrum in Bad Rappenau.

Oft hört das Lispeln mit zunehmendem Alter von alleine auf, sagt die Expertin. Artikulieren Mädchen oder Jungen die S-, Sch- und Z-Laute mit fünf Jahren immer noch fehlerhaft, sollten Eltern mit ihnen aber zum Kinderarzt gehen.

Verschiedene Unterformen

In der Fachsprache heißt Lispeln Sigmatismus – abgeleitet vom griechischen Buchstaben Sigma. «Es gibt verschiedene Unterformen», erläutert Sonja Utikal vom Deutschen Bundesverband für Logopädie. Und auch die Ursachen sind vielfältig. «Beispielsweise können Zahnlücken oder -fehlstellungen bei Kindern dazu führen, dass sie lispeln», sagt Armin Mechkat. Der Hamburger Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde ist auf Stimm- und Sprachstörungen spezialisiert. Sobald der Zahn nachgewachsen oder die Fehlstellung korrigiert ist, hört oft das Lispeln in solchen Fällen meistens auf.

Ein weiterer möglicher Grund sind Hörstörungen. Diese können so weit gehen, dass ein Kind Laute falsch bildet. «Auch Schäden oder Fehlbildungen an Zunge oder Gaumen können das korrekte Artikulieren von S-Lauten erschweren oder unmöglich machen», sagt Keilmann. Gleiches gilt für eine gestörte Mundmotorik, die sich etwa in einem falschen Schlucken äußert.

Das Lispeln kann auch auf einer auditiven Wahrnehmungsstörung basieren: Dabei ist das Kind unter anderem nicht in der Lage, wichtige und unwichtige oder ähnliche Geräusche voneinander zu unterscheiden. Es kommt aber auch darauf an, wie andere in der Familie sprechen – denn Kinder lernen durch Nachahmen. «Wenn Eltern oder Geschwister lispeln, besteht das Risiko, dass Kinder dies imitieren», so Keilmann. Und mitunter lispeln Kinder sogar einfach, wenn sie müde sind.

Eltern als Sprechvorbild

Was also tun bei einem lispelnden Kind? Keinesfalls sollten Eltern ständig sagen: «Jetzt sprich doch mal ordentlich das Wort Glas oder Vase aus.» Denn so besteht die Gefahr, dass ein Kind eingeschüchtert wird und nur noch wenig spricht, warnt Mechkat.

Besser ist es, wenn Eltern ein gutes Sprechvorbild für Kinder sind. Sagt das Kind etwa lispelnd «Ich möchte bitte Sahne», dann sollten Eltern mit den Worten reagieren: «Ah, Du möchtest Sahne haben» – wobei sie den S-Laut dann korrekt artikulieren.

Ärztliche Untersuchung

Lispelt das Kind trotz guter Sprechvorbilder etwa ein Jahr vor der Einschulung immer noch, kann eine ärztliche Untersuchung bei der Suche nach Gründen helfen. Je nach Befund verordnet der Arzt oft eine Therapie bei einem Logopäden.

Er kann etwa die Selbstwahrnehmung des Kindes schulen, damit es die falsch gebildeten Laute erkennt. Gemeinsam üben Therapeut und Patient die richtige Lage der Zunge und die korrekte Artikulation von Lauten. Rutscht die Zunge zwischen den Zahnreihen heraus, kann es helfen, wenn sich das Kind beim Sprechen selbst beobachtet – mit einem Handspiegel vor dem Gesicht etwa.

Wie lange eine Therapie dauert, ist ebenfalls ganz unterschiedlich. «Ich habe schon rasante Erfolge in 5 Stunden erlebt, aber auch sehr hartnäckige Sigmatismen, die auch nach 40 Stunden nicht überwunden waren», so Utikal. Die Kosten der Therapie zahlt die gesetzliche Krankenversicherung.

Fotocredits: Sigrid Gombert,Jan Tepass,Annerose Keilmann
(dpa/tmn)

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(dpa)