So funktioniert Virtual Fitness

Berlin – Der junge Mann auf der Leinwand trägt Jeans-Shorts, Chucks und ein ölverschmiertes T-Shirt. In seinen Händen hält Josh Martin eine Langhantel, die er so nonchalant schwingt, als sei sie aus Plastik, nicht aus Metall.

8550 Kilometer weiter östlich, in Potsdam, schüttelt ein Teilnehmer des Fitnesskurses den Kopf. «Die Amis spinnen», murmelt er. Virtual Fitness heißt das Konzept, bei dem Tausende Kilometer Distanz zwischen Trainer und Trainierenden keine Rolle spielen.

Eine Agentur in Los Angeles produziert die aufwendigen Clips für das Berliner Unternehmen Cyberobics, eine Marke von McFit. Von 6.00 Uhr morgens bis Mitternacht flimmern ununterbrochen Trainingsfilme von 30 bis 55 Minuten Länge über die beiden Leinwände in dem Potsdamer Studio der Kette John Reed, die ebenfalls zu McFit gehört. «Es gibt keine Kursausfälle und 400 Kursmöglichkeiten pro Woche», schwärmt Unternehmenssprecher Pierre Geisensetter.

Neu ist diese Idee freilich nicht. Schon in den 1980er-Jahren tanzten Bewegungsfreudige vor ihren Fernsehern mit Cindy Crawford und Jane Fonda um die Wette. Jetzt sind die Leinwände größer, die Kulissen imposanter, die Soundanlagen lauter. Die Probleme sind aber die gleichen geblieben, sagt Prof. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln: «Das Testimonial ist viel zu weit weg vom Kunden.» Die Gefahr, falsch zu trainieren und sich zu verletzen, sei ohne anwesenden Trainer sehr hoch. Geeignet seien solche Angebote deshalb nur für Sporterfahrene.

Geisensetter hält dagegen: Es gebe Kurse in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen. Gerade für Einsteiger werde alles sehr genau erklärt, «sowohl durch visuelle Hinweise als auch durch einen Off-Sprecher».

Neben Gruppenfitness-Angeboten wie dem texanischen Langhanteltraining oder Wellness-Kursen wie «Soul meets Body» bietet Cyberobics auch Cycling-Kurse vor der Leinwand an. Das Fahrrad-Ergometer des Trainers steht dann beispielsweise auf einer Dachterrasse in Las Vegas.

Noch einen Schritt weiter geht das Fitness-Unternehmen Les Mills. Seit rund eineinhalb Jahren bauen die Neuseeländer zehn Meter große, gebogene Leinwände in Fitnessstudios ein. Die Fahrrad-Ergometer werden so platziert, dass die Teilnehmer an drei Seiten von der Leinwand umgeben sind. Während des Trainings tauchen sie dann in eine Art Videospiel ein. Nicht umsonst heißt das Work-out «The Trip». «Es ist aber ein realer Trainer dabei, der mit der Gruppe zusammen fährt», erklärt Philip Mills, CEO des Unternehmens.

Les Mills geht davon aus, dass die Teilnehmer intensiver und härter trainieren, weil sie durch die Projektion abgelenkt sind. Das habe allerdings nicht nur Vorteile, sagt Nadja Walter vom Institut für Sportpsychologie und Sportpädagogik der Uni Leipzig: «Sportunerfahrene können sich schnell übernehmen.»

Dass es Sportlern durch die Kombination aus Musik und Videoinstallation leichter fällt, dranzubleiben, vermuten Sportwissenschaftler indes schon lange. «Der cineastische Eindruck motiviert die Menschen», das ist auch Pierre Geisensetters Erfahrung. Auf eine enge Betreuung durch einen Trainer müssen sie dafür verzichten. Jeder trägt selbst die Verantwortung dafür, den richtigen Kurs auszuwählen und sich beim Training nicht zu überfordern.

Ob auch der Personal Trainer eines Tages nur noch auf dem Bildschirm erscheint? In den John-Reed-Studios können sich Trainierende auf der Fläche bereits einzelne Übungen auf Touchscreens zeigen lassen. Abgeschafft wird der Trainer dadurch aber nicht, sagt Geisensetter. «Wir sehen die virtuellen Angebote eher als sinnvolle Ergänzung.»

Fotocredits: Kristian Frires,Klaus-Dietmar Gabbert,Klaus-Dietmar Gabbert,Karolin Krämer,Karolin Krämer,Karolin Krämer,McFIT Global Group
(dpa/tmn)

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